Yellow Goods

10.12.2015


Konzernmagazin 4/2015

Von Unten- und Obendrehern

Liebherr ist ein führender Hersteller von Kranen und anderen Baumaschinen weltweit, der auch von der Salzgitter AG beliefert wird. Ein Besuch im Biberacher Werk.
 
Es hat schon eine gewisse Symbolik, dass sich auf Deutschlands aktuell höchster Baustelle ausgerechnet ein Kran von Liebherr dreht: Schließlich ist das Industrie- Unternehmen u. a. einer der führenden Hersteller von Baumaschinen weltweit. Mithilfe des Krans wird die neue Eibsee-Seilbahn gebaut, die ab 2018 Besucher auf die Zugspitze bringen wird. Da in fast 3.000 m Höhe teilweise extreme Wetterbedingungen herrschen, wurden höchste Ansprüche an Stahlkonstruktion und Verankerung dieses sogenannten Turmdrehkrans gestellt – Anforderungen, die nur wenige Unternehmen weltweit erfüllen können.
 
Der Bau von Turmdrehkranen (TDK) markierte vor mehr als sechs Jahrzehnten den Beginn des Industrieunternehmens Liebherr (mehr dazu im Kasten rechts). TDK sind die Klassiker unter den Kranen und bis heute Standard beim Bau von Eigenheimen, Industriebauten und Hochhäusern. Wobei die Größen gewaltig auseinandergehen: Hebt der kleinste Kran an der Spitze des 22 Meter langen Auslegers gerade mal 500 kg, so schafft sein größter Bruder gewaltige 24 Tonnen – bei einem Ausleger von fast 100 m Länge. Liebherr-Krane sind als modulare Systeme konzipiert und können in fast 1.000 verschiedenen Variationen kundenspezifisch konfiguriert werden.

Die Salzgitter AG liefert seit mehr als 60 Jahren nach Biberach

Gebaut werden die Turmdrehkrane überwiegend von der Liebherr-Werk Biberach GmbH. Rund 1.300 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. Pro Jahr werden für die Produktion von rund 1.000 Kranen zwischen 15.000 und 20.000 t Stahl benötigt. Die Salzgitter AG ist seit mehr als 60 Jahren Lieferant von Liebherr.  Geschäftsführer Günther Hardock: „Wir beziehen von Salzgitter Bleche mit einer Stärke von bis zu 12 mm sowie Profile. Der Stahl kommt beim Bau der Drehbühnen, Kabinen und Schaltschränke zum Einsatz. Wir schätzen die Salzgitter AG wegen ihrer kompetenten technischen Ansprechpartner und als zuverlässigen Lieferanten, der uns auch in Zeiten hoher Stahlnachfrage nie im Stich gelassen hat.“
 
Rundgang durch die ca. 500 m lange Werkshalle mit fast 80.000 m2 Fläche. Wilhelm Sigg, Leiter Stahlbau: „Wir haben Platz genug, um die gesamte Produktion vom anfänglichen Strahlen des Rohmaterials bis hin zur fertigen Montage unter einem Dach zu erledigen.“ Er spricht kurz mit Maschinen- und Anlagenführer Sebastian Starke, der gerade den Laser-Zuschnitt eines Salzgitter-Blechs überwacht …
 
Beim Stahl, der in den Türmen und Auslegern zum Einsatz kommt, ist eine hohe Biegefestigkeit gefragt. Grund: „Der Stahl arbeitet auch, wenn es der Kran nicht tut“, sagt Wilhelm Sigg und verweist auf Wind und Temperaturunterschiede, die auf Baustellen unter freiem Himmel herrschen. „In der Regel setzen wir den S 355 ein.“ Stolz ist man in Biberach auf die große Fertigungstiefe. Uwe Kühn, Betriebsleiter Krantechnik: „Den Stahlbau erledigen wir zum Beispiel überwiegend selber.“

Fahrwerke, Kühlschränke

Das im Jahr 1949 von Hans Liebherr gegründete Unternehmen ist heute eine Firmengruppe mit rund 41.000 Beschäftigten in mehr als 130 Gesellschaften auf allen Kontinenten. Im Jahr 2014 betrug der Umsatz rund 8,8 Mrd. Euro.
 
Für den Bausektor umfasst das breite Produktprogramm neben den Baukranen Fahrzeugkrane, Raupenkrane, Hydraulikbagger, Radlader, Planier- und Laderaupen, Rohrleger, Muldenkipper u. a. Umfassende Produktlinien bietet die Firmengruppe jedoch auch in vielen anderen Bereichen. Im maritimen Güterumschlag ist Liebherr mit Schiffs-, Schwimm-, Offshore-, Container- und Hafenmobilkranen sowie weiteren speziell für den Hafeneinsatz konzipierten Materialumschlagmaschinen vertreten. Im Maschinen- und Anlagenbau mit Werkzeugmaschinen; im Bereich der Luftfahrtausrüstungen mit Fahrwerken – und bei den Hausgeräten bietet Liebherr als Spezialist für Kühlen und Gefrieren ein Programm mit mehr als 300 Grundmodellen. Schließlich betreibt Liebherr sechs Hotels in Irland, Österreich und Deutschland.
 
Dachgesellschaft ist die Liebherr-International AG mit Sitz in Bulle in der Schweiz, Gesellschafter sind ausschließlich Mitglieder der Familie Liebherr.

Aber auch wichtige Krankomponenten wie Antriebe und Schaltschränke kommen aus dem eigenen Unternehmen: von der benachbarten Liebherr-Components Biberach GmbH, die noch einmal 1.200 Mitarbeiter beschäftigt. Bei Turmdrehkranen unterscheidet man zwischen unten- und obendrehenden Kranen. Untendrehende Turmdrehkrane bestehen aus einem Unterwagen mit Drehkranz, auf dem der Kranturm befestigt ist. Der Ausleger ist fest mit dem Kranturm verbunden, sodass eine seitliche Bewegung des Auslegers nur über eine Drehung des gesamten Kranturms möglich ist.


Der Name Liebherr ist weltweit ein Begriff für deutsche Wertarbeit

Für größere Turmhöhen und Lasten eignen sich obendrehende Turmdrehkrane, bei denen der Kranturm fest auf einem Unterwagen bzw. Fundamentkreuz montiert wird. Das Drehwerk befindet sich hierbei am oberen Ende des Kranturms, bei Drehbewegungen wird nur der Ausleger und der Gegenausleger, sprich das ganze Kranoberteil, bewegt.
 
Turmdrehkrane von Liebherr glänzen mit Referenzen aus aller Welt. Geschäftsführer Hardock: „Das aktuellste Beispiel für den Einsatz unserer Krane ist der Bau des Kingdom Towers in Dschidda, Saudi-Arabien. Mit 1.007 Meter Höhe soll er nach seiner Fertigstellung im Jahr 2019 das höchste Gebäude der Welt sein.“ Aber auch andere klangvolle Namen sind mit Turmdrehkranen von Liebherr verbunden: so der Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt, das Guggenheim- Museum in Bilbao, die Allianz-Arena in München oder die neue Gazprom-Zentrale in St. Petersburg, die fast 500 Meter hoch werden soll.
 
Aber auch wenn Krane von Liebherr in alle Welt verkauft werden, Hauptmärkte sind nach wie vor Deutschland, Österreich und die Schweiz. Günther Hardock: „Der Hausbau boomt bei uns – und das ist gut so.“


Liebherr & Co setzen auf Bleche und Rohre aus dem Konzern

Die Produktion der Tochtergesellschaften im Überblick

Yellow Goods sind auch für Unternehmen des Salzgitter-Konzerns ein wichtiger Absatzmarkt. Namhafte Kunden wie Liebherr, Volvo, Komatsu, Palfinger oder Wirtgen wissen das technische Know-how und die Qualität der SZAG seit vielen Jahren zu schätzen. Was produzieren die Salzgitter-Mitarbeiter in Ilsenburg, Salzgitter und in den Präzisrohr-Werken für den Yellow-Goods- Bereich – und wodurch zeichnen sich die Produkte im Einzelnen aus? Ein Überblick.

Präzisrohre aus Mülheim: alles aus einer Hand

Ohne Präzisionsstahlrohre für Hydraulik und Pneumatik sind Krane, Bagger und andere Yellow Goods nicht funktionsfähig. Einer der angesehensten Hersteller in diesem Bereich ist die Salzgitter Mannesmann Precision GmbH. Petra Steffen, Key Industry Manager Vertrieb: „Unsere große Stärke liegt darin, dass der Kunde ein Produkt aus einer Hand bekommt. Neben der Vormaterialversorgung aus dem Salzgitter-Konzern können wir bei der Entwicklung neuer Güten jederzeit auf die Unterstützung der Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH bauen. Beim Vertrieb der SM P-Produkte spielt der Salzgitter Handel eine wichtige Rolle. Dieses Gesamtpaket bieten nicht viele Hersteller an.“
 
Zu den Kunden von SM P zählen Liebherr, Palfinger, Parker Hannifin, Montanhydraulik u. a. Die nahtlosen, kaltgezogenen Präzisionsstahlrohre für Hydraulik und Pneumatik werden je nach Kundenspezifikation in den Nahtloswerken produziert. Dabei spielen Maßhaltigkeit, Oberflächenbeschaffenheit und Lieferperformance eine entscheidende Rolle bei der Kundenzufriedenheit. Geliefert wird entweder direkt oder über den lagerhaltenden Handel. Neben dem Yellow-Goods-Bereich beliefert die SM P-Gruppe mit ihren Standorten in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich und Mexiko den allgemeinen Maschinen- und Anlagenbau, die Automobil- und Zulieferindustrie sowie die Energiewirtschaft.

Bleche aus Ilsenburg: superhart – und ideal für höchste Ansprüche

Neben der Windkraft sind Yellow Goods ein wichtiger Zielmarkt für die Ilsenburger Grobblech GmbH. Kunden sind u. a. Liebherr und Wirtgen. Karin Tigges, Senior Marketing-Referentin: „Die Bleche sollten in aller Regel zwei Bedingungen erfüllen: Sie müssen speziell gehärtet sein und geringe Verschleißerscheinungen aufweisen.“ Das Vormaterial in Form von kalten und warmen Brammen kommt aus Salzgitter. In Ilsenburg werden die Brammen in einem Quarto-Walzgerüst auf die gewünschten Maße gebracht. Die ausgewalzten Bleche werden wiederum in Salzgitter auf 900 Grad erhitzt und dann in der Quette unter 30 bar Druck mit kaltem Wasser „geschockt“. Ein elementarer Vorgang, der nicht nur Zischen und Dampfschwaden hinterlässt: Im Abkühlen wird er superhart und mutiert zum „gequetteten Stahl“. Ideal für besonders hohe Ansprüche – ideal für Yellow Goods.

Flachstahl aus Salzgitter: für jeden Kunden das richtige Produkt

Für Yellow Goods produziert die Salzgitter- Flachstahl GmbH die mikrolegierten Güten S355NC und S355 MC bis S700MC . Mit dem neuen Stahl TektoSal®400 gibt es jetzt zusätzlich auch ein Angebot im verschleißfesten Bereich. „Dieser Stahl wird typischerweise für Baggerschaufeln verwendet, die erhöhte Anforderungen an die Verschleißfestigkeit haben“, so Frank Heidelberger, Leiter Marketing der SZFG. „Da viele Bauteile für Baumaschinen durch Laserschneiden erzeugt werden, stellen wir speziell für diese Anforderungen auch zwei Sonderprodukte bereit. Mit unseren Produkten seca® und seca® xtra können wir besonders hohe Anforderungen an die Ebenheit garantieren, die für den Laserschneidvorgang erforderlich sind. Die Produkteigenschaften von seca® und seca® xtra lassen sich mit allen unseren im Baumaschinensektor gelieferten Güten kombinieren, sodass wir hier für fast jeden Kundenwunsch das richtige Produkt anbieten können. Als Vormateriallieferant arbeiten wir mit unseren Konzernschwestern Ilsenburger Grobblech GmbH, Salzgitter Mannesmann Precision GmbH und nicht zuletzt dem Salzgitter Mannesmann Handel in Gladbeck eng zusammen.“
 
Dr. Ralf Koch, Verkaufsleiter für die Bereiche Hausgeräte und Endverbraucher bei der SZFG: „Wir können bei unseren Kunden nicht nur mit unserer Qualität, sondern auch mit unserem großen Lieferspektrum punkten.“ Den Kunden Liebherr beispielsweise beliefern wir sowohl mit dünnem Kaltfeinblech mit sehr hohen Oberflächenanforderungen für Kühlschränke als auch mit dicken, höherfesten Bandblechtafeln, wie sie beispielsweise für Krane benötigt werden.“