Page 21 - STIL 2 2024
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 „Im Stahl wird nicht drumherum geredet. Diese oft transportierte Meinung kann ich bestätigen – und diese Art der Ehrlichkeit und Authentizität gefällt mir, weil ich mich in diesem Umfeld gut zurechtfinde.“
 Bestätigt sich dieser Eindruck auch in den anderen Ge- schäftsbereichen des Konzerns?
Ja, absolut! Dieser Eindruck beschränkt sich nicht auf die stahlbezogenen Unternehmensbereiche, sondern trifft auch auf den Geschäftsbereich Technologie zu. Mir wurde keines- wegs nur berichtet, was alles „toll“ läuft, die Mitarbeitenden ha- ben auch Probleme angesprochen, sowie Projekte, wo es ha- kelt und wo Verbesserungspotenzial gesehen wird. Mein Start verlief auch deshalb so reibungslos, weil ich von meinem Vor- gänger Burkhard Becker ein gut bestelltes Feld übernommen habe, wofür ich sehr dankbar bin. Der Finanzbereich ist stabil aufgestellt.
Was sind zusammengefasst Ihre ersten Eindrücke?
Das oben Geschilderte spricht für ein gesundes Selbstbe- wusstsein der Kolleginnen und Kollegen – und das ist eine sehr gute Basis, denn einer meiner stärksten Eindrücke ist, dass die Menschen im Salzgitter-Konzern stolz auf das sind, was sie tun, und dass sie sich sehr mit ihren Unternehmen und dem Konzern identifizieren und gerne ihren Beitrag leisten.
Was fasziniert Sie in den Werken ganz besonders?
Was mich ebenso beeindruckt hat, ist die Technik – die Kom- plexität der Stahl- und Stahlrohrherstellung und des Anlagen- baus bei beispielsweise KHS, unsere Geschäfte mit Getränke- abfüll- und Verpackungsanlagen. Wir sind ganz klar ein technik- basierter Konzern, der in Bewegung ist. Die Transformation
Kommen wir zurück zu Ihrem Ressort. Was fasziniert Sie
an Zahlen?
Die blanke Zahl sagt ja erst einmal nicht viel aus, sie ist ein- dimensional. Viel spannender finde ich, wie sie zustande kommt – welche Geschichte sie erzählen kann und was die Analyse an Handlungsoptionen eröffnet.
Können Sie das an einem Beispiel erläutern?
Ich konstruiere mal ein Beispiel: Ein Gewinn vor Steuern (EBT) von 100 Mio. € hört sich auf den ersten Blick gut an. Entschei- dend sind aber: In welcher Relation steht das zum Umsatz, wie ist die Ergebnisreihe der vergangenen Jahre, wie ist das kon- junkturelle Umfeld, wie haben Mitbewerber abgeschnitten, in welchen Segmenten des Konzerns wurde das Ergebnis erzielt, welche Produkte waren Ergebnistreiber, wie haben sich Inves- titionen und Innovationen ausgezahlt. Ich könnte diese Reihe auch noch fortsetzen. Was ich deutlich machen möchte: Die Sachverhalte hinter der Zahl sind entscheidend.
Welche Sachverhalte sind dies?
Richtig spannend wird es dann, wenn ich in die Analyse gehe und mich damit beschäftige, welche Optionen mir die Erkennt- nisse eröffnen. Welche Entscheidungen für Strategie, Investi- tionen, Kompetenzaufbau, Portfoliomanagement und operati- ve Performance sind nötig? Welche Ressourcen müssen und können aktiviert werden? Damit ermöglicht die Analyse eine aktive Fortentwicklung und Steuerung von Unternehmen.
Welche Schwerpunkte werden Sie jetzt setzen?
Der übergeordnete Schwerpunkt wird sicherlich die Fokussie- rung auf einen soliden, kommerziellen Erfolg sein, auf die Per- formance in unseren Einheiten. Darüber hinaus gilt es, die Eta- blierung unserer Konzernstrategie mit dem Fokus auf Circular Economy weiter voranzutreiben und natürlich Digitalisierung.
In welcher Position sehen Sie dabei den Konzern?
Wir befinden uns inmitten der Transformation hin zu CO2-armen Produktionsprozessen und Produkten. Der Salzgitter-Konzern ist mit SALCOS® führend in dieser Transformation. Diese ist nicht nur technisch eine große Herausforderung, sondern muss kaufmännisch solide geführt werden. Wir wollen mit „grünem Stahl“ auch kommerziell erfolgreich sein. Dies wird also einer der großen Schwerpunkte in den kommenden Jahren sein.
Sie verantworten neben den kaufmännischen Bereichen auch die Konzern-IT. Wie soll der Bereich sich weiter- entwickeln?
Wir werden das Thema IT und IT-Strategie noch mehr durch die Konzernbrille betrachten. Hier liegt sicherlich ein großes Po- tenzial, um den Konzern noch besser aufzustellen, schneller agieren zu können und dort, wo es nötig ist, zu harmonisieren. Ich bevorzuge dabei einen partizipativen Ansatz, der auf ein koordiniertes Vorgehen der Verantwortlichen im Konzern setzt. Wir werden eine gemeinsame Lösung finden, und den Weg dorthin werden wir auch gemeinsam konsequent gehen.
Was unternimmt Birgit Potrafki, wenn sie nicht für den Salzgitter-Konzern tätig ist?
Ich bin ein Mensch, der im positiven Sinne neugierig ist: auf Menschen, andere Länder und Kulturen. Ich entdecke gerne und versuche herauszufinden, was andere Menschen motiviert und antreibt. Es gibt in dieser Welt eine Menge zu lernen, das fasziniert und inspiriert mich immer und immer wieder, und daher reise ich im Urlaub gerne und lasse mich auf Neues ein.
 mit SALCOS® und der Weg zum „grünen Stahl“ sind im Stahl- geschäft die bestimmenden Themen, aber auch die anderen Bereiche beschäftigen sich in verschiedenen Graden mit The- men wie Circular Economy, der Gestaltung der Energiewende und der Umsetzung der Klimaziele in ökonomisch tragfähige Modelle.
Wie sehen Sie die gesellschaftliche Positionierung des Konzerns?
Ein Aspekt der Unternehmenskultur ist mir aufgefallen, und er gefällt mir sehr gut. Ich durfte im April die Ansprache bei der Gedenkfeier in der KZ-Gedenkstätte in Salzgitter auf dem Werksgelände halten und habe mich somit mit diesem Teil der Konzerngeschichte beschäftigt. Mein Eindruck: Im Salzgitter- Konzern übernehmen wir Verantwortung, nicht nur für die un- ternehmerischen Belange, sondern wir zeigen und positionie- ren uns auch dort, wo gesellschaftspolitisches Engagement gefragt ist. Das kommt meinem Verständnis von Verantwor- tung und Haltung zeigen sehr entgegen.
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